oder kostenlos bei uns mitmachen

VERSPIELT

flyer

VERSPIELT

Wann
Do, 12. Oktober 2017
Wo
, Maternistraße 17, 01067 Dresden
Haltestellen
Budapester Straße: 1,7,8,9,10,11,62,85
LineUp
Anne Folger u. Jennifer Rüth
Party, Events
Ein Flügel ist ein Flügel bleibt ein Flügel. Oder eben auch nicht. Schon an einem geschlossenen Flügel lassen sich wundersame Dinge tun, mit einem aufgeklappten Flügel sind die Möglichkeiten noch ungleich größer. Beinahe sogar grenzenlos. Kommt eben darauf an, wer dahinter sitzt. Und im Falle zweier Flügel und der entsprechenden Besetzung wachsen die Möglichkeiten dann ins nahezu Unermessliche, mindestens aber höchst Erstaunliche. Wobei dies hier, liebe Leser, beileibe keine von heillosen Phantastereien befeuerte Behauptung ist. Denn wenn es Jennifer Rüth und Anne Folger sind, die als Queenz of Piano hinter den kostbaren Instrumenten sitzen, dann sind dem Spiel auf und mit und neben den 176 Tasten keine Grenzen gesetzt. Dabei hatte doch alles so beinahe harmlos angefangen.Nämlich mit einer Zeitungs-Annonce vor sieben Jahren. Jennifer Rüth war damals auf der Suche nach einer Partnerin und gab besagte Anzeige auf, die kurz und knapp wie folgt lautete: „Pianistin gesucht, Konzerte vorhanden“. Die Kürze nicht etwa wegen der Würze, jedenfalls nicht nur, „sondern weil die pro Zeichen Geld berechnet haben“, wie Rüth erzählt. „Und für die 200 Euro, die ich als Studentin erübrigen konnte, gab’s einfach nicht mehr.“ Als ihre Mutter unter den Bewerberinnen das Bild von Anne Folger gesehen hatte, meinte sie gleich „die nimmste, die sieht anständig aus!“ Nach einem ersten Treffen in Stuttgart habe sich alles peu à peu weiterentwickelt, „wir haben anfangs das Booking selbst gemacht, zwei E-Flügel mitgeschleppt, von meinem Vater den Kleintransporter ausgeliehen. Irgendwann nahm uns dann eine Agentur das Organisatorische ab.“ Aber angefangen hat es mehr oder weniger als Rock’n’Roll?  Anne Folger grinst und nickt. „Unser erstes Konzert war in einer Seniorenresidenz in Bonn, das Durchschnittsalter des Publikums lag so bei 90, es wurde aber viel geklatscht.“ Die Heimleiterin habe sich gar nicht wieder einkriegen können, „als sie unseren Transporter und dann uns beim Zusammenschrauben der Instrumente sah. Danach spielten wir in der Kurmuschel von Zinnowitz, da war der Durchschnitt schon bei 70. Kurz vor dem Konzert fuhr ein Gärtner mit seinem Wagen durchs mit Kies ausgestreute Gelände und wirbelte derart viel Staub auf, dass wir bei der Anmoderation nicht mehr zu sehen waren. Alles noch ziemlich unglamourös, damals.“ Aber es habe sie zusammengeschweißt. Zu einem Duo, das gern und ambitioniert mit Hörgewohnheiten bricht. Und nach Seniorenresidenz und Kurmuschel kamen zuerst Kleinkunstbühnen und kuschlige Theater und sind inzwischen Rang- Und Staatstheater an der Tagesordnung. Auch das Publikum ist weit bunter geworden, wenn heute eine Neunzigjährige die Queens of Piano besucht, hat sie meist ihre Kinder und Enkel dabei. Falls die Urenkel noch zu klein sind. Allein der Rock’n’Roll ist geblieben, er findet nur inzwischen kaum noch in Tourbus und Garderobe, sondern zum Vergnügen aller auf der Bühne statt. „Entwickelt hat sich das Programm zwar aus der Klassik“, so Jennifer Rüth, „inzwischen aber haben wir auch unsere anderen Herzensangelegenheiten darin untergebracht. Wir spielen nach wie vor gern Bach und Beethoven, sind als ganz normale junge Frauen aber natürlich auch mal in der Disco oder auf Popkonzerten und hören Radio.“ Und das käme nun zusammen. „Etwa wenn wir Coldplays ’Viva La Vida’ für zwei Flügel arrangieren oder Michael Jacksons ’Billy Jean’.“ Und wie klingt es denn nun, wenn die Queenz of Piano konzertieren? Classic light oder Crossover scheiden ja offenbar aus. „Manchmal modernisieren wir die Klassik“, sagt Anne Folger, „manchmal bringen wir auch den Pop der Klassik näher. Wir experimentieren mit vielen verschiedenen Spieltechniken, wobei John Cage für uns eine gute Fundgrube ist. So machen wir etwa mit Gegenständen Musik, die eigentlich gar nicht auf eine Konzertbühne gehören.“ Wie etwa ein Chipsdosendeckel, Eisennägel, ein Milchaufschäumer, „oder wir präparieren das Piano mit Radiergummis. Dann geht der Sound in Richtung Barock“ Wie kommt man nur auf so etwas? „Wie gesagt“, grinst Jennifer Rüth, „durch John Cage zum einen, aber auch durch den Mix ganz unterschiedlicher Stile. Wenn wir etwa lateinamerikanische Klänge spielen, müssen wir uns schon überlegen, wie wir die zwingende Rhythmik hinkriegen“. Die Kollegin Folger ergänzt: „Oft haben wir uns auch überlegt, wie ein Stück traditionell gespielt wird und wie man das auf einem Piano schafft. Und wenn man die Seiten mit dem Milchschäumer bearbeitet, klingt das fast wie eine Zither und passt plötzlich zu einem alpenländischen Stück“.
Was sich vielleicht ein bisschen nach Laborarbeit anhört, wird auf der Bühne zu einer rasant amüsanten Show, denn so lebendig charmant, wie Jennifer Rüth und Anne Folger aus der Historie ihres Duos erzählen, gestalten sie auch ihre Konzertabende. So heiße etwa ihr aktuelles Programm bewusst doppeldeutig „Verspielt“, wie Folger sagt. „Zum einen sind wir auf der Bühne halt ziemlich verspielt, zum anderen gibt es auf der Welt so viel Schönes, das aus Missgeschicken oder Fehlern entstanden ist.“ In der Musik gebe es sogar Instrumente, die so entstanden sind, etwa das Theremin, „das wir inzwischen auch benutzen. Es entstand damals als Fehlkonstruktion, eigentlich wollte Leo Theremin für den russischen Geheimdienst ein Abhörgerät bauen, dass dann aber ständig pfiff.“ Eine Bluesnummer sei ebenso im Programm, sagt Jennifer Rüth, „denn der Blues ist ja eigentlich auch Resultat eines Fehlers. Damals kam die Musik der Sklaven mit der der weißen Übersiedler aus Europa zusammen. Erstere besteht aus fünf, Zweitere aus sieben Tönen.“ Anne Folger nimmt den Faden auf, „aus der Vermischung der beiden entstanden die Blue Notes, sie sind im Grunde eine Art von Reibung zweier Schablonen, die nicht zueinander passen.“ 
Hört sich, neudeutsch gesagt, fast nach Edutainment  an. „Das wollen wir auch“, sagt Jennifer Rüth, „das so genannte ’Edutainment’ gefällt uns sehr. Es gibt bei uns zu jedem Stück eine Geschichte, mal eine persönliche, dann wieder eine informative. Wir wollen nicht einfach nur Stücke spielen, die man schnell wieder vergisst, sondern den Leuten wirklich was mit nach Hause geben.“ Auch von den so reich beschenkten Leuten übrigens haben die beiden Frauen ein sehr genaues Bild. Das seien halt Menschen, die zwar Klassik mögen, sich aber in deren Umfeld nicht so wohl fühlen und spätestens dann aussteigen, wenn es um Fachwissen geht, sie aber eigentlich nur die Musik schön finden. Die keinem elitären Kreis beitreten möchten und gern auch mal das Radio einschalten und ein bisschen Pop hören. „Wir sind Anhänger der Philosophie des improvisierten Theaters“, meint Anne Folger, „das die Mauer zwischen Künstler und Auditorium niederreißen möchte. Bei uns wird manches Stück erst komplett, wenn die Zuschauer mitsingen oder uns den Rhythmus liefern.“ Gelacht, mitgeklatscht und mittendrin applaudiert werden darf bei den Queenz nicht nur, es ist sogar ausdrücklich erwünscht. „Es geht bei uns vor allem um den Spaß“, sagt Jennifer Rüth, „wir legen keinen Wert auf Etikette.“ Auf eine Entwicklung ihres Live-Konzeptes aber schon. Wo früher neben den Queenz auf der Bühne nur die zwei Flügel und ein paar Effektgeräte – wir erinnern uns an den Milchaufschäumer – standen, sind für „Verspielt“ jetzt Akkordeon, Gitarre, E-Geige, das Theremin und eine Melodica dabei, „wir haben Lust, wie eine Band zu sein. Und so steht da jetzt auch eine Loopmaschine, mit der wir all das während der Show aufnehmen.“ Die endet übrigens mit einem Medley zum Thema Integration. Mit Wiegenliedern aus aller Welt und der Idee, so Jennifer Rüth, „dass Mutters Schlaflied für die Kinder eine Art Wiege unserer Musikkulturen ist.“ Fast zu schön, um wahr zu sein.


Bildquelle: PR

Anfahrt

transparent

Schon gewusst?Schon gewusst? Als registrierter Inhaber / Betreiber / Veranstalter auf der port01 Plattform können Sie Ihren City-Tipp und Ihre Events selber eintragen, bearbeiten und aktuell halten. Hier geht's zum kostenlosen Veranstalterzugang.