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Wir bauen uns eine eigene Schublade

29. September 2014 image

Wir bauen uns eine eigene Schublade

port01 im Interview mit Arnim Teutoburg-Weiß von den Beatsteaks über 20 Jahre Bandgeschichte, erfüllte Träume und ihre Fans

Hallo liebe Beatsteaks,
erst einmal herzlichen Glückwunsch, euer neues Album „Beatsteaks“ ist auf Platz 1 der deutschen Charts eingestiegen!Nach knapp 20 Jahren Bandgeschichte seid ihr erfolgreicher denn je! Als i-Tüpfelchen heißt euer Album wie eure Band. Bedeutet das, dass ihr euch mit dem aktuellen Album endgültig gefunden habt?
Nee, also so sieht es jetzt vielleicht aus, so fühlte es sich aber nicht an, als wir die Platte fertig gemacht haben. Uns fiel einfach kein Titel ein. Wir haben gedacht, wenn sich kein Name findet, reicht das Foto aus. Wir denken uns viel weniger dabei als andere Leute. [lacht]

Wikipedia sagt, ihr seid eine kommerziell erfolgreiche Punkband. Reiht ihr euch tatsächlich neben den Ärzten und den Toten Hosen ein? Macht ihr Punk?
Nein, wir haben sehr viele musikalische Vorbilder. Punk ist für mich 1979, Clash und Ramones – ich bin zu jung, um die kennengelernt zu haben, aber ich hab von Bands gelernt, die direkt von denen beeinflusst wurden. Wir sind von Punkbands genauso beeinflusst wie von Hip-Hop-Musik oder toller Popmusik wie von den Beatles, den Smiths oder wie von Bob Marley und AC/DC. Wir haben im Dunstkreis der Punkmusik angefangen, wir wollten aber immer eine Rockband sein. Die Hosen zum Beispiel sind 15 Jahre älter und haben noch mal einen ganz anderen Ursprung. Wir machen seit 20 Jahren Musik und wer uns fragt, ob wir Punk machen, soll sich mal fragen, was er vor 20 Jahren gemacht hat. Wir sind einfach eine Rockband, die sich ihre eigene Schublade baut.

Fans bemängeln, dass die neue Scheibe – wie auch schon die letzte – ruhiger geworden ist als die alten Kracher. Was erwartet die Fans live? Seid ihr ein wenig gesetzter als früher oder haut ihr weiterhin ordentlich auf die Pauke?
Sagen wir: Die neue Scheibe ist melodiöser. Unsere Platten unterscheiden sich voneinander und es gibt Leute, die das gut finden, und Leute, die das nicht gut finden. Aber wir wollen immer was Neues machen – was nicht einfach ist – und wir wollen uns nicht wiederholen. Da gibt es immer wieder Leute, die sagen „Das ist aber nicht wie ‚Smack Smash‘!“, aber „Smack Smash“ nimmt dir ja keiner weg und uns erst recht nicht. Jede Platte ist wie ein Kind für uns und niemand ist mehr Fan von einer Platte als wir. Ich finde es verstörend, wenn Leute so arg in der Vergangenheit pulen. Lass doch eine Band leben und sich entwickeln, wir spielen ja die Songs noch live. Wir spielen Songs von den Alben, die keiner im Schrank hat, und auch Songs von Alben, die viele im Schrank haben. Und – und das mag ich an meiner Band – wir spielen jeden Abend mit einer anderen Setlist. Deswegen bleibt es bunt und man kann sich immer wieder überraschen lassen.
 
Mit Erfolg! Beim Highfield wart ihr mit den Queens of the Stone Age mein Highlight. 
Oh cool, vielen Dank! Highfield war ganz toll! Es war ein spezieller Abend. Weil wir auf so einer großen Bühne gestanden haben … Wenn alles passt und einfach schön ist, weiß man, warum man das alles macht. Wir machen nonstop Musik. Für die Öffentlichkeit treten wir immer alle drei Jahre auf, aber wir machen eigentlich nichts anderes. Und auch wenn man mal mit der Musik hadert und sich mal streitet oder denkt, wir sind zu alt für den Scheiß, wird man mit solchen Abenden belohnt.

Feiert euch Nicht-Berlin genauso wie Berlin?
Berlin ist natürlich immer krass, Berlin ist immer doppelt so groß, wir spielen die größeren Hallen. In Berlin fühlen wir uns immer wie Queen sich gefühlt haben müssen. Das heißt aber nicht, dass Leipzig abstinkt. Die Leute, die zu unseren Konzerten pilgern, die lassen es auf jeden Fall immer krachen. Der Grund, warum Beatsteaks-Konzerte bekannt sind, ist, weil das Publikum der sechste Mann auf der Bühne ist. Das ist die Attraktion, was da los ist!

Wohin wolltet ihr bei Gründung der Beatsteaks? Konntet ihr euch das Gefühl, nach dem ihr bei eurer ersten Demoproduktion gestrebt habt, erfüllen?
Wir wollten irgendwie unser eigenes Ding finden. Es fiel schwer am Anfang, nicht wie irgendjemand anderes zu klingen. Wir haben dann im Laufe der Zeit unser eigenes Ding gefunden. Wir wollten aber auch Leute unterhalten und mit ihnen einen schönen Abend haben. Wir wollten nie ein politisches Statement setzen, wir sind eher die Liebeslied-Thematiker [lacht].

Die Nummer eins zu sein, bringt ja auch ganz materielle Vorteile mit sich. Habt ihr euch auch klassische materielle Wünsche durch eure Karriere erfüllt? Der erste Porsche oder das Haus am Wannsee?
Nein, Luxus für mich ist, dass wir dem Zeitdruck eines Bandsystems aus dem Weg gehen können. Wenn wir merken, es läuft nicht im Proberaum, gehen wir nach Hause zu unseren Familien und versuchen es morgen wieder. Der Luxus Zeit, den können wir uns leisten … Und die Gretsch White Falcon ist ’n Luxus, die hab ich mir gekauft. Ist die schönste Gitarre der Welt. Ich bin Linkshänder, da ist es gar nicht so einfach, eine Gitarre zu finden. Ich wiege den Erfolg in Instrumenten auf. Ich habe zu Hause auch noch einen kleinen Proberaum – auch das ist Luxus übrigens – und da hängt jede Gitarre, die ich mir vor 20 Jahren als Linkshänder-Kiddie erträumt habe.

Das erste graue Haar oder die „4“ vor der Alterszahl haben einige von euch schon erfolgreich hinter sich gebracht. Zudem hatte euer Drummer Thomas im Jahr 2012 einen richtig schweren Unfall und brauchte eine ganze Weile und ein kleines Wunder, um wieder kraftvoll trommeln zu können. Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, wie ihr weitermachen würdet, wenn eure Beatsteaks-Karriere heute vorbei wäre? Wärt ihr Bäcker, Schreiner und Banker?
Keine Ahnung, nicht mal in schlimmen Momenten wie nach Thomas’ Unfall – was im Worst Case bestimmt das Ende der Band bedeutet hätte – haben wir da dran gedacht. Zum Glück wurde es nicht so schlimm. Wir haben immer gewusst, er wird ja gesund, und wir haben uns dann gesagt: Keine Zeit für Bullshit mehr. Hier wird nur noch Klartext gesprochen. Wir sind erwachsene Männer, die zusammen in einer Band spielen. Es gab schon mal mehr Bullshit in der Band, mehr Ego, mehr Luxusprobleme. Auf einmal wussten wir wieder, was es bedeutet, seinen Beruf zu leben und zusammen in die Welt zu ziehen.
 
Seid ihr nach 20 Jahren eigentlich vor allem Kollegen oder vor allem Freunde?
Wir sind mehr Freunde denn je, das Bandverhältnis war noch nie so eng. Wobei: Mit Peter und Bernd spiele ich seit 20 Jahren in der Band, aber ich rechne erst ab dem Zeitpunkt, ab dem Torsten Scholz in die Band kam, vor 11 Jahren. Wechselst du die Mitglieder aus, ist es eine andere Band. Wir feiern nächstes Jahr 20-Jähriges, aber im Herzen für mich 11-Jähriges.

Die Ärzte singen über euch. Ihr wart Vorband der Sex Pistols. Gibt es weitere Highlights in eurer Karriere? Was war bisher der coolste Gig, die beste Fanaktion, das geilste Bandfoto?
Ja, ich erinnere mich daran, dass ich es gern schaffen wollte, dass das „SO 36“ ausverkauft ist und dass ich wollte, dass uns einer hört und sagt, dass das nach Beatsteaks klingt. Dann wollte ich genau diese sechs Gitarren im Proberaum hängen haben – auch das ist eingetreten. Dann gibt es aber Sachen, die sind nicht eingetreten. Einen Hit schreiben zum Beispiel. Rock am Ring headlinen, wäre ein krasses Ding. Mit Dave Sardy eine Platte produzieren … mit Deichkind einen Song machen … ’ne Oasis-Reunion sehen und in der Vorband spielen. Es gibt total viele Wünsche. Auch den Song mit Klavier fertigstellen, der den schönsten Refrain hat, aber noch keine Strophe.

Wie feiert ihr nächstes Jahr 20 Jahre Beatsteaks? Ladet ihr uns auf eine große Tour ein oder wird die eigentliche Feier eine stille Runde zwischen euch, Berliner Clubs, Astra Rotlicht und dem morgendlichen Kater?
Wir planen zwei große und mehrere kleine Sachen: Es wird ein toller Sommer nächstes Jahr. Und es gibt natürlich eine große Tour im November! Und dann spielen wir die Bilderbuch-Tour, das wird die größte Tour, die wir je geplant haben. Das wird cool!

Na dann sehen wir uns auf jeden Fall, vielen Dank für das coole Interview und lasst es euch gut gehen!

Foto: Paul Ripke

Autor: Marlene Woloszyn

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